Herr Müller, Sie sind vorige Woche aus der CDU ausgetreten. Was war der Anlass?
Ich will das einfach nicht mehr. In der CDU fühle ich mich nicht mehr wohl. Das ist sicher auch der Tatsache geschuldet, das ich zu lange schon Ortsteilbürgermeister bin. Da steht im Vordergrund die Gemeinschaft, deshalb bin ich auch heute noch ein Befürworter des Allianzgedankens. Vielleicht ist mein Gedankengut überholt und passt nicht zu einer modernen CDU. Da sollte man nicht stur sein sondern einfach los lassen. Seit dem Frühjahr quäle ich mich mit der Entscheidung. Vor dem Stadtratsbeschluss zur Schule Aga hatte ich mich schon rausgelehnt. Nach dem Motto, wenn es schief geht, reagiere ich. Aber ich habe noch abgewartet.
Haben Sie schon vorher artikuliert, dass es Ihnen bei der CDU Gera an Haltung fehlt?
Bereits am 2. Juni habe ich zur Sitzung des Ortsvereines Nord mitgeteilt, dass ich den Vorsitz zurückgebe. Zur Sitzung am 9. September trat ich vom Vorsitz zurück und übergab an meinen Stellvertreter Norbert Geißler.
Was hätten Sie anders gemacht?
Ich hätte fortgeführt, was wir 2011 als Allianz für Gera begonnen haben. Eben die Zusammenarbeit mit Arbeit für Gera und der FDP. Ich trauere der Zeit hinterher, obwohl sie ein enormer Kraftakt war. Man kann nicht nur zu Wahlzeiten eine Allianz haben wollen. Die logische Konsequenz wäre eine Allianz-Liste für die Stadtratswahl 2014 gewesen. Aber auf meine Idee gab niemand was. Ich will der CDU nicht zu nahe treten. Da trete ich lieber aus.
Sie waren von 2011 bis 2012 Kreisvorsitzender. Was führte dazu, dass Sie sich so weit entfernt haben?
Vielleicht haben sich auch die anderen von mir entfernt. Die Linie, die die CDU in Gera fährt, dass sie sagt, die Allianz haben zu wollen aber nichts dafür tut, ist nicht mein Ding. Ich bin eher der Pragmatiker. Für mich gibt es keine Probleme, sondern Aufgaben, die zu lösen sind. So sehe ich das immer noch. Oftmals hatte ich das Gefühl, dass ich ziemlich allein mit meinen Gedanken bin.
Wurden Sie von Menschen enttäuscht?
Nein, in dem Sinne nicht.
Aber Sie hatten andere Pläne damals?
Ich bin 2003 in die CDU eingetreten und war später dann der Stellvertreter von Norbert Hein. Nach seinem Rücktritt 2011 so kurz vor der OB-Wahl wurde nur der Kreisvorsitzende gewählt. Familie Kölbel hatte mich damals vorgeschlagen, weil ich am besten in der Lage sei, Leute zusammenzubringen sowohl in der CDU als auch außerhalb. Das liegt mir als Ortsteilbürgermeister einfach. Ich habe mitgeholfen, das Saatkorn für die Allianz zu legen. Weil es in Gera nicht funktioniert, dass nur eine Partei etwas bewegen kann. Nach der OB-Wahl wurde dann der CDU-Kreisvorstand regulär gewählt und Christian Klein Vorsitzender. Seit dem Parteitag 2012 wurde mehrfach versprochen, den Allianz-Gedanken fortzusetzen, aber nie umgesetzt. Damit musste jedem klar sein, dass Mehrheiten im Stadtrat nur noch schwer zu erreichen sind.
Ist die Allianz kaputt?
Aus meiner Sicht existiert keine. Wo denn?
Bleiben Sie Mitglied der CDU-Fraktion?
Erst mal ja, wo soll ich mich hinsetzen? Zur Bürgerschaft? Das wäre fatal, nachdem sie gegen die Schule Aga gestimmt hat.
Wenn Sie aber ausgeschlossen werden?
Da warte ich die Entscheidung der Fraktion am 19. Oktober ab.
Gab es Reaktionen auf Ihre Austrittserklärung?
Der Kreisvorsitzende und der Fraktionsvorsitzende haben mir eine Nachricht geschrieben, dass sie das bedauern aber meine Entscheidung akzeptieren. Ich glaube, dass ich ausgetreten bin, wissen noch nicht viele.
2012 haben auch Sie mit lila Schal den Wahlkampf für die Oberbürgermeisterin gemacht. War das ein Fehler?
Nein, ein Fehler war es nicht. Das Besondere bei ihr ist, dass sie parteilos war und ist. Es hat einfach viel Spaß gemacht. Mir hat das gefallen, dass wir in der Allianz über Themen gestritten haben und dann mit einer Auffassung raus gegangen sind. Das war für mich Wohlfühlatmosphäre.
Sie bleiben Ortsteilbürgermeister von Aga?
Ja, ich denke in Aga hat keiner Probleme damit, dass ich aus der CDU ausgetreten bin.
Sylvia Eigenrauch/13.10.15/OTZ