Bernd Müller

Ortsteilbürgermeister Aga Mitglied des Geraer Stadtrates


 
...für den Ortsteil Aga
mit den Orten Kleinaga, Großaga, Seligenstädt, Reichenbach und Lessen
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In Seligenstädt sollen bis zum Jahresende vollbiologische Kleinkläranlagen wegen zu hoher Anschlusskosten für den Zweckverband privat errichtet werden / Bürgerinitiative fordert Aussetzung der Zwangsbescheide bis zur Novellierung des neuen Thüringer Wassergesetzes

Mit seinen 44 Einwohnern ist Seligenstädt das kleinste der zum Geraer Ortsteil Aga gehörenden Dörfer.

Vor fast drei Jahrzehnten geriet es wegen seiner „Gift“-Sondermülldeponie in die Schlagzeilen. Mit Millionenaufwand wurde die noch heute betriebene Deponie gesichert. Belastungen für die Seligenstädter, vor allem durch Transporte, blieben. Ebenso wie durch landwirtschaftliche Großmaschinen durch die enge Dorfstraße.

Seligenstädt hat keinen Anschluss an den örtlichen Nahverkehr und keine Versorgungseinrichtung (ein mobiler Verkaufswagen aus dem 120 km entfernten Thörey gab vor drei Jahren seinen wöchentlichen Halt im Dorf auf).

Während der Ort im vorigen Jahr überraschender Weise doch noch in den Ausbau der Breitbandversorgung einbezogen wurde, kam auf die Seligenstädter mit den Bescheiden des Kommunalen Abwasserzweckverbandes über die private Errichtung vollbiologischer Kleinkläranlagen bis Ende 2018 erneut eine massive Benachteiligung zu. Begründet mit zu hohen Kosten für den Zweckverband - obwohl dieser Millionengewinne macht. Und die Bürger von Seligenstädt mit der Eingemeindung zu Gera 1994 sowohl Anschlussgebühren zu entrichten hatten und mit dem hohen Hebesatz für die Grundsteuer belastet wurden.

Wasserver- und Abwasserentsorgung sind eine kommunale Pflichtaufgabe. Die Vorgängerregierung der seit 2014 bestehenden Koalition hatte bereits ein Förderprogramm für privat zu errichtende Klärgruben beschlossen, jedoch nur mit 1.500 Euro Zuschuss bei insgesamt 1,5 Mio. Euro, was für gerade einmal 1.000 Anträge jährlich reichte. Betroffen sind in Thüringen geschätzt etwa 170.000 Grundstücke.

Die bündnisgrüne Umweltministerin der jetzigen Regierung, Anja Siegesmund, will mit der Novellierung des Thüringer Wassergesetzes die „Gerechtigkeitslücke“ schließen, indem Zweckverbände Haus- und Gruppenkläranlagen auch auf privatem Grund errichten und betreiben, wenn es die Eigentümer wünschen (OTZ vom 15. Januar 2015). Die Planungen würden vom Ministerium „mit Hochdruck“ betrieben, und der Vorsitzende des zuständigen Landtagsausschusses, Tilo Kummer (Die Linke), wollte zur Beschleunigung des Verfahrens sogar ein Vorschaltgesetz auf den Weg bringen, was wegen fehlender Gelder aber vom Ministerium abgelehnt wurde.

Fast auf den Tag drei Jahre später, am 6. Januar 2018, schrieb die OTZ: „Die Hoffnung ist dahin: 48 Grundstückseigentümer in Steinbrücken und 13 in Seligenstädt müssen nun doch vollbiologische Kleinkläranlagen bauen. Und zwar noch in diesem Jahr. Der Zweckverband Wasser/Abwasser Mittleres Elstertal hat die entsprechende Anordnung, anders als Mitte November geplant, nun doch nicht ausgesetzt“. Anfang März dann, nach Protesten der Steinbrückener, in der OTZ die Korrektur: Weil die Regelung der Abwasserentsorgung in Thüringen „noch immer unklar“ sei, hätten sich Zweckverbandsvorsitzender Dietrich Heiland und Oberbürgermeistern Viola Hahn „dazu entschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen“ und die Bescheide vorerst nicht nach Steinbrücken zu entsenden. Kein Wort zu Seligenstädt, dessen Grundstückseigentümer die Bescheide bereits erhalten hatten.

Inzwischen hatte sich im Dorf eine Bürgerinitiative gegründet und sich, auch mit Unterstützung von Ortsteilbürgermeister Bernd Müller, an die kommunale Verwaltung gewandt. Von der erhielt sie die Antwort, der Zweckverband sei an die Weisungen der Landesbehörden, das noch gültige Wassergesetz mit der Zwangsverpflichtung durchzusetzen, gebunden.

Die Seligenstädter akzeptieren das nicht. Mitte April kam es zu Beratungen der Bürgerinitiative und der Zuständigen im Geraer Rathaus. Offenkundig erhielt man dort wegen der Entscheidung für Steinbrücken von den Landesbehörden einen Rüffel und will deshalb die Bescheide auch für Seligenstädt nicht aussetzen. Eine eklatante Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Abgesehen davon, dass noch nicht entschieden ist, wann das neue Wassergesetz beschlossen wird und welche Regelungen es bringt, ist die Situation in Seligenstädt ein Muster für Politikversagen. Fehlende Transparenz und Bürokratie haben mit der gern betonten Sorge um die Zukunft des ländlichen Raumes nichts zu tun. W.W.
Anmerkung: Nach Informationen der Stadtverwaltung ist vom Land vorgesehen, in kleineren Orten zwar weiter die Eigentümer zur Errichtung von Kleinklärgrubenbau verpflichten zu können, aber die Förderung zu erhöhen.
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Werner Wühst
Freier Journalist und Autor

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