Ostthüringer Zeitung vom 20. Oktober 2022
Angelika Munteanu
Hackschnitzel-Heizanlage wartet noch immer auf Baugenehmigung von der Stadt Gera Vanessa Günther ist mitten im Umzug in den ersten der ehemaligen LPG-Wohnblöcke in Kleinaga, die derzeit saniert werden. „Ideale Lage“ für die junge Frau und ihren Lebensgefährten.
„Und eine himmlische Ruhe, vor allem, wenn man die Fenster zumacht.“ Die Fenster sind dreifach verglast, das Gebäude wärmegedämmt, neue Balkons angebaut, damit keine Kältebrücken entstehen. Nur an der neuen Heizung, die vorgesehen ist, hapert es.
„Vorgesehen ist eine Hackschnitzel-Anlage, mit der alternativ Wärme zum Heizen erzeugt wird“, sagt Samuel Nadolski. Er leitet den im Jahr 2019 begonnenen Sanierungsbau an den Mehrfamilienhäusern, die jetzt einem privaten Eigentümer aus dem bayerischen Vilsbiburg gehören. Die energetische Sanierung sei heutzutage notwendig und eine Forderung, die an den Kredit der KfW-Bank für den Umbau aller Blöcke mit insgesamt 77 Wohnungen geknüpft ist.
Ursprünglich sollte die Wärmeversorgung auf Basis von Luft-Wärme-Tauschern gesichert werden, sagt Nadolski. Dafür sei der Energieverbrauch jedoch viel zu hoch. Statt dessen sei die Wahl schon vor zwei Jahren auf eine Hackschnitzel-Anlage zur Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser gefallen, die eine deutlich bessere Energiebilanz biete. Ein Bauherr dafür habe sich in direkter Nachbarschaft der Wohnblöcke gefunden. Doch gebaut ist die Anlage noch immer nicht, weil es bis heute an einer Baugenehmigung von der Stadt fehlt.
Hackschnitzel-Heizanlage sollte vor dem Winter stehen
„Ich hätte die Hackschnitzel-Anlage längst errichtet. Jetzt im Oktober sollte sie eigentlich kommen“, sagt der Investor, Heinrich XIV. Reuß, Inhaber der Reuss’schen Güter Aga mit dem Gutshof gleich auf der Straßenseite gegenüber den Wohnblöcken. In einem ersten Anlauf sei die Baugenehmigung vor eineinhalb Jahren versagt worden. Die Antwort aus der Stadt auf eine neuerliche Bauvoranfrage sehe gleichfalls nicht nach Zustimmung aus.
Gebaut werden soll die alternative Heizanlage auf einer Wiese an der Straße vor den Wohnblöcken. Zunächst für die 77 Wohnungen mit einer Leistung zwischen 350 bis 500 Kilowatt. Eingepasst in die Umgebung, vielleicht mit einer Holzverkleidung und mit einer Photovoltaikanlage zur Stromversorgung auf dem Flachdach. Ein Problem: Die Wiese ist im Geraer Flächennutzungsplan als Außenbereich im Innenbereich und damit im Grundsatz als nicht bebaubar festgelegt. Privilegierte Ausnahmen lässt das Baurecht allerdings zu: Unter anderem für die Land- und Forstwirtschaft und auch für Biomasse-Heizanlagen, wie es die Hackschnitzel-Heizung eine wäre.
Alternative Wärmeerzeugung für viele Abnehmer möglich
Heinrich XIV. Reuß, das heutige Familienoberhaupt des einstigen Ostthüringer Fürstenhauses, hat Forstwirtschaft studiert und setzt auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Die Holzreste, die in den drei Wohnblöcken in Kleinaga für warme Stuben und heißes Wasser sorgen sollen, würden aus seinen Wäldern in der unmittelbaren Umgebung kommen: von Forstflächen im Stadtgebiet Geras in Aga und Ernsee und im benachbarten Bad Köstritz. In den nächsten 40 Jahren müssten sich die Wälder in der Region zwar erst einmal erholen, „nachdem der Klimawandel brutal zugeschlagen hat und die Fichte am Sterben ist“, stellt Reuß fest. Aber aus der Baumpflege auf seinen fast 700 Hektar Wald in der Region falle genügend Holz für eine Biomasse-Heizung in Kleinaga ab. Mit dieser könne auch das Wohnhaus im Gut Aga beheizt werden. Vor allem aber sei die Anlage für die öffentliche Versorgung gedacht. Auch der Kindergarten in Aga habe schon Interesse bekundet Wärme abzunehmen. Ortsteilbürgermeister Bernd Müller (parteilos) könnte sich in seinem Ortsteil weitere
Abnehmer vorstellen: „Die gesamte Siedlung am Schleifenacker und weitere Blöcke könnten mit der lokalen Heizanlage versorgt werden.“ Eine Erweiterung wäre aus Sicht des Investors Reuß, der seit 30 Jahren eine 600-KW-Hackschnitzel-Anlage an seinem Familiensitz im niederösterreichischen Ernstbrunn zur Beheizung von Schloss und Mietshäusern betreibt, kein Problem. Nur braucht es für die Anlage in Kleinaga zunächst die Baugenehmigung.
Aus Sicht der Unteren Bauaufsichtsbehörde sei für die Bauanträge zur Hackschnitzel-Heizanlage „eine Genehmigungsfähigkeit aus verschiedenen Gründen nicht gegeben“ gewesen, heißt es auf Nachfrage aus dem Rathaus. Näheres könne aus Gründen des Datenschutzes und weil die Verfahren noch nicht abgeschlossen seien, nicht bekannt gegeben werden.
Stadt steht Vorhaben im Grundsatz positiv gegenüber
Die Stadtverwaltung betont aber, dass sie dem Vorhaben im Grundsatz positiv gegenüberstehe, weil die vorgesehene Verwertung der Hackschnitzel für eine nachhaltige Beheizung von Wohngebäuden in Bezug auf den Klimaschutz eine vorbildliche Investition darstelle. „Um zu einer genehmigungsfähigen Lösung zu kommen, sind wir mit dem Bauherren in Kontakt“, so die Stadt. Alexander Castell, der von Reuß mit der Projektbetreuung in Aga beauftragt ist, hofft auf einen gemeinsamen Ortstermin zur Klärung.
Meine Meinung
Angelika Munteanu
Alternative sucht Lösung
Um etwaigen Befürchtungen vorzubeugen: Auch wenn die geplante Hackschnitzel-Heizanlage noch immer nicht gebaut werden darf – im Kalten werden die ersten Mieter im sanierten Wohnblock in Kleinaga im bevorstehenden Winter zunächst nicht sitzen müssen. Jedenfalls solange nicht, wie durch das Geraer Netz Erdgas in die Ortschaft am ländlichen Rand der Stadt Gera geliefert wird. Das Erdgas soll – so die Idee der Bauherren in Kleinaga – künftig aber nur noch genutzt werden, um etwaige Versorgungsspitzen bei strengem Dauerfrost abdecken zu können. Grundsätzlich aber wird auf alternative Wärmeerzeugung gesetzt: Weg vom Erdgas hin zu nachwachsenden natürlichen Rohstoffen. Ganz so, wie es die Energiewende für Deutschland vorsieht. Damit liegen die Investoren und die (potenziellen) Energieabnehmer ganz im Trend der Zeit.
Auch das potenzielle Baugrundstück, die Wiese im sogenannten Außenbereich sollte nicht das Problem sein, um eine Genehmigung zu verwehren. Denn im Baugesetzbuch regelt der Paragraf 35 die privilegierten Ausnahmen – und da gehört die öffentliche Versorgung mit Wärme durch die Biomasse Holz aus der eigenen Forstwirtschaft unbedingt dazu.